Wie stellt sich die Messewirtschaft in Lateinamerika dar?

Nachdem sich viele Augen auf Asien gerichtet haben, ist nun auch Lateinamerika in das Blickfeld gerückt. Die Perspektiven scheinen verlockend.

Photo: Andrés López Valderrama
Photo: Andrés López Valderrama

Experte: Andrés López Valderrama
CEO, Corferias, Bogotá
UFI President 2014/2015

Hohe Dynamik 

Teilweise getrieben durch die starke Wirtschaftsdynamik, hat sich die lateinamerikanische Messewirtschaft in der letzten Dekade beachtlich entwickelt. Das führte zur Verbesserung der Qualitätsstandards, mehr branchenbezogener Diversifikation und zu höherer Internationalität bei Ausstellern und Besuchern. Letzteres drückt sich in der Erkenntnis ausländischer Messeunternehmen aus, dass es sich bei Lateinamerika um eine bedeutende Wachstumsregion handelt. Viele internationale Veranstalter sind mittlerweile aktiv.   

Viele Möglichkeiten 

Verglichen mit den gefestigten Märkten in Europa oder den USA kann Lateinamerika als „frische Region“ bezeichnet werden – gerade in Bezug auf die geschäftlichen Möglichkeiten. Es gibt viel Raum für Investitionen in aufstrebenden (Messe-)Städten oder bei der Umsetzung von (Messe)Infrastrukturprojekten. Ausländische Veranstalter können mit lokalen Partnern kooperieren und Messen in Branchen durchführen, die kräftig wachsen.   

Große Herausforderungen 

Trotz zahlreicher Verbesserungen und der zunehmenden Professionalität gibt es immer noch Herausforderungen zu meistern. Im Hinblick auf die ökonomische Bedeutung von Messen wird eine intensive Wahrnehmung durch lokale Regierungen benötigt – und deren vermehrte Unterstützung. Darüber hinaus sind bessere Messestatistiken und zertifizierte Veranstaltungen erforderlich. Die   Ausbildungsmöglichkeiten und das Angebot bescheinigter Trainingsprogramme müssen zunehmen. Zertifizierungen erscheinen ebenfalls bei den Messedienstleistern angebracht und zudem ist die Expertise im Bereich Technologie auszubauen.

Weithin sichtbare Hingucker: Baumaschinen im Corferias-Freigelände. (Photo: Corferias)
Weithin sichtbare Hingucker: Baumaschinen im Corferias-Freigelände. (Photo: Corferias)

Drei Hauptblöcke 

Unter Zugrundelegung zahlreicher unterschiedlicher Kriterien lässt sich Lateinamerikas Messewirtschaft in drei Hauptblöcke aufteilen. Zum einen gibt es Märkte mit einem höheren Entwicklungsgrad. Dazu gehören Brasilien, Mexiko, Kolumbien und Argentinien. Hier finden 63 Prozent der lateinamerikanischen Messen statt. Zweitens existieren „aufstrebende Märkte“ wie Ecuador, Chile und Peru, wo 15 Prozent der Messen ausgerichtet werden. Und drittens bestehen „sich entwickelnde Märkte“ wie Uruguay, Paraguay, Bolivien, Venezuela und Mittelamerika. Sie stellen die restlichen zwölf Prozent von Lateinamerikas Messekuchen.

Zahlreiche „Solo“-Veranstalter 

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Tatsache, dass über drei Viertel der lateinamerikanischen Messen im übertragenen Sinne „One-Man-Shows“ sind: 77 Prozent der Veranstalter führen lediglich eine Messe durch. Umgekehrt organisieren nur zwei Prozent der Unternehmen in der gesamten Region zwischen elf und 50 Messen. Präzisere Daten dazu und zu anderen Themen soll es auf dem UFI-Kongress in Bogotá geben. Dann wird der Verband Afida ein Buch „Lateinamerikanische Märkte und Messen 2015-2016“ veröffentlichen.   

Heterogene Messekultur 

Ein riesiger Kontinent mit 600 Millionen Einwohnern und sehr heterogenen Märkten hat nicht nur eine einzige Kultur – jeder Fall muss einzeln präzise analysiert werden. Dennoch lassen sich Aussagen treffen, die Lateinamerika als Ganzes betreffen. So sind Geschäftsbeziehungen auf Vertrauen und langen Prozessen aufgebaut. Daher muss ein Ausländer seine potenziellen Partner sehr gut kennen, genauso wie ihr kulturelles, ökonomisches und soziales Umfeld. Wie in anderen internationalen Märkten erscheint es unbedingt notwendig, vor Ort auf einen lokalen Partner zu vertrauen. Ein weiteres sehr spezifisches Merkmal der lateinamerikanischen Messekultur ist die große Relevanz von Verbraucherschauen. Obwohl es einen starken Trend zu Fachmessen gibt, sind immer noch sehr viele Publikumsmessen und gemischte B2B/B2C-Veranstaltungen zu finden.    

Weniger Formales 

Die interkulturellen Hauptunterschiede zu den USA oder Europa hängen damit zusammen, dass Lateinamerika durch aufstrebende Volkswirtschaften geprägt wird. Dadurch geht alles im Geschäftsleben ein bisschen entspannter und lockerer zu. Ein gutes Beispiel sind die weniger formal ablaufenden Gespräche. Selbst bei fortgeschrittenen Verhandlungen werden plötzlich neue Themen entdeckt. Auch kann der allererste Dialog in einigen Ländern mehr persönlichen oder allgemeinen Dingen und weniger dem konkreten Geschäft dienen. Verhandlungen können humorvoll ablaufen, aber ebenso emotional und mit intimen Gesten wie Umarmungen. Dagegen muss der Aussteller viel Geduld mitbringen, wenn es hinterher um die Bestätigung von Vereinbarungen geht.  

Internationaler Standbau 

Der lateinamerikanische Messebau befindet sich in Bezug auf seine Standards auf internationalem Niveau – sowohl was Qualität, Designkonzepte, Kreativität, Materialien und den Einsatz von Technologien angeht. Verglichen mit anderen Weltregionen geben lokale Aussteller weniger aus. Aus diesem Grund ist das Preisniveau recht moderat. Auf Messen sind deshalb sehr viele hochwertige Stände zu „vernünftigen Preisen“ zu finden. Zudem zeigt sich der Wettbewerb besonders in Brasilien und Argentinien sehr intensiv.

 
 

Dieser Beitrag ist erschienen in TFI Heft 5/2014

 
 

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