Messepolitik: Bei Eignung ein Vorstellungsgespräch

Ein immer wichtigeres Messeziel ist die Suche nach qualifiziertem Personal. Rekrutierungsmaßnahmen auf Fachmessen und Recruitingmessen stehen dabei nicht im Widerspruch.

"Einstieg" in Karlsruhe: Das Thema Personal- und Nachwuchswerbung ist auf allen Messen angekommen. (Photo: Einstieg Karlsruhe / KMK)
"Einstieg" in Karlsruhe: Das Thema Personal- und Nachwuchswerbung ist auf allen Messen angekommen. (Photo: Einstieg Karlsruhe / KMK)

Unternehmen werben um jeden Mitarbeiter. „Vom Absolventen bis zur Führungskraft“, weiß Klaus Dittrich. „Auch auf Fachmessen, denn hier erreichen sie genau ihre Zielgruppe“, sagt der Chef der Messe München. Ein Beispiel ist der „Student Day“ während der electronica, die sich traditionell einen Tag der Nachwuchsförderung widmet. Messe-Jobbörsen helfen nicht nur bei der Kontaktaufnahme: „Sie bieten auch Bewerbungstrainings und allgemeine Beratung“, betont Dittrich. Und: „Geeignete Bewerber bekommen sofort ein Vorstellungsgespräch.“ Für die Münchener stehen diese Maßnahmen auf Branchenmessen nicht in Konkurrenz zu Recruitingmessen. „Auf einer Fachmesse haben die Nachwuchskräfte meist schon eine Präferenz für die Branche“, argumentiert Klaus Dittrich. „Hier fällt die förmliche und manchmal steife Atmosphäre eines Vorstellungsgesprächs weg.“ Bewerber träfen direkt auf ihre zukünftigen Vorgesetzten und können sich in einem unverbindlichen Gespräch kennenlernen (www.messe-muenchen.de).   

Die Kollegen aus Frankfurt bestätigen, dass sich beide Messeformen ergänzen. „Recruitingmessen zielen eher darauf ab, generelles Wissen über eine Branche und ein Unternehmen zu vermitteln“, weiß Wolfgang Marzin. „Das Recruitingformat hat zunächst die grundsätzliche Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses im Fokus“, erklärt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Messe Frankfurt. Dagegen geht es im Rahmen von Branchenmessen ganz konkret um akute Stellenbesetzungen. „Interessenten mit entsprechenden Qualifikationen können sich direkt bewerben“, erklärt Marzin. Wer aktiv wird, befindet sich schon im Auswahlprozess. Die Frankfurter messen diesen Angeboten bei Fachmessen eine sehr große Bedeutung zu. „Im ISH-Jobportal haben wir zum Beispiel den Ausstellern angeboten, bestehende Vakanzen zu veröffentlichen“, berichtet Wolfgang Marzin. So könnten Arbeitgeber vor Ort genau die brancheninteressierte Klientel ansprechen (www.messefrankfurt.com).   

Auf der Hannover Messe besteht seit Jahren die Nachwuchsinitiative TectoYou: „Damit soll das technische Bewusstsein geschärft werden“, beschreibt Hartwig von Saß. „Dazu werden Schüler im Alter zwischen 16 und 20 Jahren zur Messe eingeladen“, erklärt der Unternehmenssprecher der Deutschen Messe. „Allein zur diesjährigen Hannover Messe reisten dadurch rund 9.000 junge Leute aus ganz Deutschland zu einem organisierten Tagesprogramm an.“ Mittlerweile gibt es TectoYou auch auf anderen hannoverschen Veranstaltungen wie Ligna und CeBIT. Außerdem werden Karriere- und Recruitingmarktplätze organisiert. „Dort stellen sogar branchenfremde Unternehmen aus“, verweist von Saß exemplarisch auf den VW-Konzern, der auf der CeBIT nach IT-Personal sucht. Kooperiert wird ebenfalls mit der Bundesagentur für Arbeit, die Kandidaten zur Messe schickt. Schließlich befinden sich an den Ständen zahlreiche Personalverantwortliche. „Auf der CeBIT werden Arbeitsverträge unterschrieben“, hebt Hartwig von Saß hervor (www.messe.de).      

Auch die Hamburg Messe und Congress verfügt über ähnliche Angebote. „Wir kooperieren bei einzelnen Fachmessen mit Universitäten, Schulen, der Handelskammer und anderen Institutionen“, erläutert Unternehmenssprecher Karsten Broockmann. „Dabei bieten wir gezielt Maßnahmen für Bewerber, Studenten oder Schüler an.“ Beispielsweise gibt es auf der nächsten Fachmesse für Produktion im Norden, Nortec, geführte Touren für Schüler. Sie sollen dem Nachwuchs die verschiedenen Berufsfelder der Produktionstechnik nahebringen und sie für Technikberufe begeistern. Unterschiedliche Messeformate werden ebenfalls als Ergänzung gesehen. „Während bei Recruitingmessen ausschließlich die Personalgewinnung im Fokus steht, bieten Fachmessen ein umfassendes Angebot eines Wirtschaftszweiges“, bestätigt Karsten Broockmann: „Messen sind für Aussteller ein besonders effektives Mittel, um geeignete Bewerber zu finden“ (www.hamburg-messe.de).   

 
 
 
 

Für die Messe Stuttgart nimmt die Bedeutung des Personalmarketing auf Fachmessen stetig zu. „Das spiegelt sich im Angebot unserer Veranstaltungen wider“, sagt Unternehmenssprecher Thomas Erken. Bei der Fachmesse Vision für Bildbearbeitung arbeiten die Stuttgarter mit wirth+partner zusammen. Die Münchener Personalberater bieten eine individuelle Karriereberatung für Ingenieure und Naturwissenschaftler an – und haben auf der Vision ein Job Board + Career Center eingerichtet . Aussteller können gegen Gebühr ihre Stellenausschreibungen im Vorfeld online und während der Messe als Aushang veröffentlichen. „Untersuchungen belegen, dass sich rund 90 Prozent der Career Center-Besucher vorab im Internet über die Messeaktivitäten informieren“, betont Thomas Erken. „Daher ist der Hinweis auf interessante Stellenanzeigen, Vorträge und Beratungsangebote ein essenzieller Baustein zum Erfolg.“ Die Stuttgarter sehen Fachmessen auch als geeignetes Medium für die Anwerbung von Führungskräften. Schließlich kennen solche erfahrenen Mitarbeiter die Branche und verfügen über ein wertvolles Netzwerk (www.messe-stuttgart.de).   

Britta Wirtz sieht das Thema „Werbung um Nachwuchs“ oder um qualifiziertes Personal bei allen Messen angekommen. „In unserem Portfolio gibt es drei spezialisierte Recruitingmessen“, verweist die Sprecherin der Geschäftsführung   der Karlsruher Messe- und Kongressgesellschaft auf die Veranstaltungen Einstieg Beruf, Einstieg Abi und Bonding Messe. Zielgruppe sind Auszubildende, Abiturienten und Studierende. „Bei Fachmessen wie der Learntec nimmt das Thema inhaltlich an Fahrt auf“, fügt Wirtz hinzu. Dort wird die Bedeutung von Fort- und Weiterbildung als Top-Thema etwa in Talkrunden erörtert. Andere Messen haben besondere Areale, die Jobbörsen beinhalten oder Gesprächsvereinbarungen zwischen Bewerbern und Anbietern ermöglichen. „Ferner bieten wir beispielsweise Lehrlingsbaustellen bei der Inventa Garden an“, beschreibt Britta Wirtz. „Sie zeigen das Berufsbild des Garten- und Landschaftsbauers“ (www.kmkg.de).

Kampf um die besten Köpfe

Werner Matthias Dornscheidt (Photo: Rene Tillmann)
Werner Matthias Dornscheidt (Photo: Rene Tillmann)

Demografischer Wandel, daraus resultierender Fachkräftemangel und das Anwerben von qualifizierten Bewerbern aus dem Ausland sind für die Industrie zentrale Themen. Der „Kampf um die besten Köpfe“ ist schon lange in Gang – auch auf dem Marktplatz Messe. Die hier ausstellenden Unternehmen suchen das Gespräch mit Bewerbern und versuchen, diese Kandidaten frühzeitig an sich zu binden. Die Messe Düsseldorf möchte diese drängende Fragestellung künftig auf ihren Veranstaltungen aufgreifen, dabei Ausstellern und potenziellen Bewerbern unterstützende Angebote bieten. „Wir wollen dieses Thema entsprechend seiner Bedeutung verstärkt in unsere Messen integrieren“, sagt Werner Matthias Dornscheidt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Düsseldorf. Dazu gibt es viele Ideen, die zunächst in Gesprächen mit den Industrieverbänden und Ausstellern auf ihre Praktikabilität überprüft werden. S chon jetzt steht fest, dass auf der diesjährigen „K“ wieder die Kunststoff-Ausbildungs-Initiative („kai“) aktiv sein wird. Sie war anlässlich der „K 2010“ in Abstimmung mit Verbänden, Organisationen und Lehreinrichtungen ins Leben gerufen worden. Unter dem Motto „Wer mit Kunststoff arbeitet, arbeitet mit dem Werkstoff der Zukunft“ will die Initiative angehende Azubis, Schüler und Studenten für die Kunststoffbranche gewinnen. Es gibt Führungen, Workshops und Experimente in Versuchslabors, aber auch Bühnenshows, Diskussionsrunden und individuelle Beratungen. „So wollen wir potenziellen Nachwuchskräften verdeutlichen, welche vielfältigen Möglichkeiten und aussichtsreichen beruflichen Perspektiven die Kunststoffindustrie zu bieten hat“, erklärt Dornscheidt (www.messe-duesseldorf.de).

 
 

Autor: Peter Borstel

Dieser Artikel ist erschienen in TFI Heft 3-4/2013

 
 

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