Nächstes Jahr beginnen die Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Wie schätzen Messeakteure die Auswirkungen des brisanten Themas ein?
Die meisten deutschen Messeveranstalter erwarten nach dem Abschied Großbritanniens aus der EU keine größeren Auswirkungen – was die Zahl britischer Aussteller und Besucher auf ihren Messen in Deutschland angeht. Das ergab eine Umfrage des Messeverbandes AUMA, die allerdings vor der Abstimmung durchgeführt wurde. Befragt worden waren große und mittelgroße Veranstalter, die internationale Messen durchführen. Risiken werden jedoch bei einer sich deutlich verschlechternden Konjunktur in Großbritannien und dem Aufbau von Handelshemmnissen gesehen. Die deutschen Veranstaltungen dürften aber selbst in diesem Fall eine hohe Anziehungskraft für britische Aussteller und Besucher behalten. Aus Großbritannien kommen jährlich rund 5.400 Aussteller und 140.000 Besucher. Damit gehört Großbritannien zu den fünf wichtigsten Teilnehmerländern auf deutschen Messen. Auch im Kongresssegment und im Geschäft mit britischen Gastveranstaltern auf deutschen Messeplätzen werden keine größeren Folgen erwartet. „Hier entscheidet die Standortqualität und weniger die Frage der EU-Mitgliedschaft“, so der AUMA. Unabhängig davon würden die deutschen Messeveranstalter den weiteren Verbleib Großbritanniens in der EU ausdrücklich begrüßen (www.auma.de).
Etwas unbestimmter äußerte sich der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) im Vorfeld der Stuttgarter Messe AMB – über die Auswirkungen für Maschinenhersteller. Politisch ist das Votum der Briten für den EU-Austritt ein Schock, heißt es beim VDW, der die Weltmesse EMO organisiert. Es führt zu allgemeiner Verunsicherung der europäischen Wirtschaft und Vertrauensverlust bei den internationalen Geschäftspartnern. „Jetzt wird es maßgeblich darauf ankommen, wie der weitere Fahrplan aussieht“, glaubt Wilfried Schäfer. „Und wie schnell es der Politik gelingt, Märkte und Investoren zu beruhigen“, sagt der VDW-Geschäftsführer. „Davon hängt teilweise auch ab, ob die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie 2016 ihr Produktionswachstum von einem Prozent erreichen kann.“ Vergangenes Jahr stand Großbritannien mit einem Volumen von rund 313 Millionen Euro auf Platz elf der wichtigsten Märkte für die Branche. Sorgen bereitet auch der reibungslose Waren- und Leistungsaustausch zwischen deutschen Herstellern und ihren britischen Tochterunternehmen. Im Vertrauen auf stabile Rahmenbedingungen haben etliche Unternehmen auf der Insel investiert. „Unter welchen Bedingungen ihr Geschäftsmodell künftig funktioniert, ist bislang noch völlig unklar“, formuliert Schäfer (www.vdw.de).
Auch
in München war der Brexit unlängst das wichtigste Gesprächsthema. Dort ist die Messe
Expo Real nicht nur eine Zusammenkunft der Immobilienwirtschaft. „Sondern auch
ein Treff für Experten der weltwirtschaftlichen Entwicklung“, erklärt Klaus
Dittrich, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe München. Diesem Anspruch
entsprechend diskutierten namhafte Experten über den britischen EU-Ausstieg.
Sowohl Gegner als auch Befürworter waren Anfang Oktober vor Ort. „Dieses
Referendum überhaupt abzuhalten war ein Versagen der politischen Klasse im
Vereinigten Königreich und in Europa“, erklärte Brexit-Gegner Howard Bernstein.
„In ganz Europa äußert die Bevölkerung die gleichen Ansichten, insbesondere
beim Thema Immigration“, weiß der Chief Executive des Manchester City Council. „Zudem
wird die Unsicherheit weiter anhalten, da der Ablauf des Brexit nicht klar ist.“
Brexit-Befürworter Gerard Patrick Lyons, ehemaliger Chefökonom der Standard
Chartered Bank und Berater von Boris Johnson, meinte dagegen: „Der Brexit ist
eine fantastische Chance für Großbritannien und die Wirtschaft wird davon
langfristig sehr profitieren.“ Hingegen betrachtet Max Otte vom IFVE Institut
für Vermögensentwicklung in Köln den Brexit als „Riesenchance für Europa“: Denn:
„Die Briten haben 30 Jahre lang Rosinenpickerei betrieben, das ist jetzt
vielleicht vorbei.“ US-Starökonom Nouriel Roubini meinte: „Die Auswirkungen des
Brexit werden für Europa kleiner sein als für Großbritannien.“ Aber: „Europa
muss zusammenhalten, denn entweder Ihr schwimmt gemeinsam oder Ihr geht gemeinsam
unter“ (www.exporeal.net).
Autor: Peter Borstel
Dieser Artikel ist erschienen in TFI Heft 6/2016
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